Freitag, 9. August 2013

Gewitter in den Alpen


Der alte Brauch des Wetterläutens 


Dunkle Wolken türmen sich bedrohlich am Horizont auf, kein Windhauch regt sich und brütende, schwüle Hitze lastet überdem Tal. Wanderern ist Vorsicht geboten, denn am Berg kann man schnell von einem Unwetter überrascht werden. Wer kann, bleibt im Schatten oder erfrischt sich durch einen Sprung in das kühle Nass der Schwimmbiotops am SonnberghofDoch für die Landwirte ist jetzt Eile geboten, denn noch vor dem drohenden Gewitter muss das frisch gemähte Heu eingebracht werden.
Plötzlich kommt Wind auf – der Wetterwind – der böig das Unwetter ankündigt. Erst nur ein leichter Hauch, der die Blätter der Bäume sanft hin und her wiegt, steigert sich das Lüftchen schnell zu einer starken Brise. Mit Einsetzen des Windes beginnt auch das „Wetterläuten“ der nahen Kirche und signalisiert: Schutz aufsuchen! Die Kombination aus rabenschwarz verdunkeltem Himmel, aufkommendem Wind und dem andauernden Geläute der Wetterglocke verursacht Gänsehaut und schnell wird zusammengepackt – am Strand, am Feld, auf der Sonnberghofterrasse.
In vielen Gemeinden im Nationalpark Hohe Tauern wird dieser alte Brauch noch praktiziert. Meist sind es die Mesner, die im Sommer den „Wetterläut-Dienst“ versehen und durch das Läuten der Kirchenglocke einerseits die Bevölkerung warnen,andererseits – und das ist der eigentliche Volksglaube – durch den erzeugten Schall die Gewitterwolken vertreiben.

Gewitter über Zell am See Kaprun
Gewitter in den Bergen

Volksglaubegegen Naturgewalt

Der Ursprung dieses alten Brauchs liegt in einer Zeit, in der Wetterphänomene wie Dürren, Sturm und Hagel physikalisch oder meteorologisch nicht erklärbar waren, sondern, aus dem Aberglauben heraus, den Hexen zugeschrieben wurden. Wetterschäden durch Hagel waren unmittelbar existenzgefährdend, kein „Unwetter-SMS“ warnte vor Gefahren, keine Versicherung zahlte den Ernteausfall. Die von der Landwirtschaft abhängige Gesellschaft kämpfte nach einem verheerenden Unwetter oft ums Überleben. So kam es, dass das Läuten der geweihten Glocke die Hexen – und mit ihnen auch die unheilbringenden Wolken – vertreiben sollte. Mit der Aufklärung schwand aber auch der Glaube an die Hexen als Ursache für Blitz und Donner, und man setzte auf den, durch das Läuten erzeugten, Schall der Wetterglocke als erfolgreiches Mittel gegen Hagel und Wolkenbruch. So tragen auch viele Kirchenglocken im Pinzgau Wettersprüche als Inschrift. Sogar Friedrich Schillers „Lied von der Glocke“ startet mit den Worten: „Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango – Die Lebenden rufe ich. Die Toten beklage ich. Die Blitze breche ich“– und bezeugt so den Glauben an die unwetterabwendende Wirkung des Glockenklangs.

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